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TWO PLAY
TO KNOW

Uraufführung
28. April 2019 / Gewandhaus, Mendelssohn-Saal


Mit der Uraufführung der zweiten Two Play To Play Saison geht die acht Monate währende Zusammenarbeit von The Micronaut und Tahlia Petrosian dem Ende zu und entsprechend intensiv gestaltet sich die Woche vor dem großen Ereignis. 

The Micronaut aka Stefan Streck hat mit Lichtprogrammierung, Soundchecks und Interviews ein enormes Arbeitspensum zu bewältigen und nimmt dies mit großer Gelassenheit. Die Frage nach der gemeinsamen Sprache der beteiligten Musiker*innen und die damit verbundene Suche nach dem Takt und den Einsätzen bleibt zentrales Thema der letzten zwei Proben. Die finale Version der Partitur, von Stefan Streck in die Einzelstimmen der Instrumente aufgeteilt, sowie zusätzliches In-Ear-Monitoring regelt schlussendlich das passgenaue Zusammenfinden der Welten und die Generalprobe läuft, sechs Stunden vor der Uraufführung, reibungslos. 

Am Abend ist die Anspannung da und ein erwartungsfreudiges Publikum füllt ab 18.30 Uhr den ausverkauften Mendelssohn-Saal.  Stefan Streck, Tahlia Petrosian (Bratsche oder Viola), Jennifer Banks (Violine), Camille Gouton (Violine), Gayane Khachatryan  (Violoncello), Edgar Heßke (Klarinette) und Jonathan Müller (Trompete) betreten eine halbe Stunde später die Bühne und werden stürmisch begrüßt. Die Gewandhausmusiker*Innen eröffnen mit dem aus den öffentlichen Proben bereits bekannten Beethovenstück für eine Spieluhr. Das Musikstück, ursprünglich für Blechbläser  konzipiert und von Tahlia Petrosian für das bestehende Ensemble neu arrangiert, führt aus der Welt der klassischen Musik hinein in die „micronautsche“ Klangwelt. Am Ende des acht minütigen Stückes greift Stefan den stehenden Violinenton auf, verzerrt ihn elektronisch und bevor die Saite reißen kann, lösen schwere Piano Klänge den Ton auf. Gayanes Cello verwebt sich schwermütig mit Stefans Sound, Violinen, Bratsche, Cello und Trompete führen das Stück jubilierend hinaus dem Tal. 

Dieses erste Stück mit dem Titel »Places« ist richtungsweisend für den Abend. Stefan Streck, bekanntermaßen ein Mann von der Küste,  ist Kapitän der sich und seine MitstreiterInnen durch mehr oder weniger schwere See, zu neuen Orten navigiert.  Auf und Ab geht der musikalische Ritt durch dunkle, klopfende, sich überlagernde Beats und kühle, industrielle Synthesizer Klänge.  Die Gewandhausmusiker*innen halten mit, lösen sich und finden zu ihrem eigenen musikalischen Thema, das losgelöst von dem elektronischen Grundgerüst eine ganz eigene, analoge Wärme entwickelt. In diesem Gegensatz der Klangerzeugung liegt die große Stärke des Abends. Die spielerische Exzellenz der Gewandhausmusiker*innen entfaltet sich immer dann, wenn Stefan Streck die analog erzeugten Töne für jähe Stimmungsumbrüche und Richtungswechsel nutzt. Mit Effektgeräten, Synthesizer, sphärischem Gesang und seiner Gitarre verdichtet er das kompositorische Grundgerüst und entfacht eine musikalische Wucht die weit entfernt ist von den geradezu minimalistisch wirkenden Strukturen der öffentlichen Proben. Der in den öffentlichen Proben noch eingespielte Gesangspart wird an diesem Abend von Saskia Arndt übernommen und fügt der Musik eine weitere Nuance an Helligkeit hinzu. 

Acht nach Städtenamen benannte Stücke kommen an diesem Abend zur Aufführung. Den ursprünglichen Ansatz der gemeinsamen Arbeit, die Spieluhr und daraus abgeleitet die mechanischen Wiedergabe von Musik, findet sich lediglich in Wiederholungen von Tönen und Figuren wieder. Die Musik lässt große Bilder entstehen und führt mal hastend, mal flanierend, mal in melancholischer, mal euphorischer Stimmung durch die einstündige Aufführung. Stefan Streck hat seine acht Monate dauernde Reise ins Herz der Klassik mit Mut und Entschlossenheit zur großen Geste angetreten und gelangt souverän an sein Ziel. Das Publikum belohnt diesen Einsatz mit viel Applaus und stehenden Ovationen. Dem schließen wir uns an und danken den zwei Hauptakteuren »The Micronaut« und Tahlia  Petrosian ganz einfach für das Mitmachen, den Gewandhausmusiker*innen Jennifer Banks (Violine), Camille Gouton (Violine), Gayane Khachatryan (Violoncello), Edgar Heßke (Klarinette) und Jonathan Müller (Trompete) für die musikalische Unterstützung des Projektes sowie den Kooperationspartnern  der diesjährigen Saison, dem Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig und der Distillery.