TWO PLAY
TO KNOW
2. öffentliche Probe
01. Februar 2019 / Gewandhaus, Mendelssohn-Saal
Mit der zweiten öffentlichen Probe haben Tahlia Petrosian und The Micronaut die erste Hälfte der »Two Play To Play«-Spielzeit hinter sich gebracht. Vor ihnen liegen noch eine öffentliche Probe und die Uraufführung im April – entsprechend gespannt finden sich 40 Zuhörer*innen zur ausverkauften Veranstaltung im Mendelssohn-Saal ein. Ebenfalls dabei sind Tahlia Petrosians Kolleg*innen aus dem Gewandhausorchester: Jennifer Banks (Violine), Camille Gouton (Violine), Edgar Heßke (Klarinette) und Jonathan Müller (Trompete).
Der Abend wird dieses mal von den Gewandhausmusiker*innen mit einem Beethoven-Stück eröffnet, das für eine Flötenuhr (mit einer Orgel kombinierte Uhr) komponiert wurde. Tahlia Petrosian hat bereits in den ersten Arbeitstreffen auf diese Komposition als möglichen Brückenschlag zwischen den Welten hingewiesen. Brückenschlag in dem Sinne, dass die Komposition in die gemeinsame Arbeit einführt und Motive der Komposition von Stefan Streck ausgewählt und bearbeitet werden. Diese Bearbeitungen sollen in die Arbeit einfließen – das Beethoven Stück wird so zum Opener des gemeinsamen Werkes, Elemente daraus zur verbindenden Klammer zwischen klassischer und elektronischer Musik.
Nach dem das 10-minütige Stück verklungen ist, besprechen die Musiker*innen mögliche Herangehensweisen und klären Fragen hinsichtlich der künstlerischen Umsetzbarkeit. Kann Stefan Streck mit der Beethoven-Komposition arbeiten? Wie können mögliche Übergänge aussehen? Und wie erfolgt die Auswahl der Motive? Dies sind die zentralen Fragen. Lösungsansätze wie etwa ein »Ausdünnen« der klassischen Instrumente zum Ende hin sind von Stefans Streck Seite schnell gefunden. Beethoven als Opener wird festgehalten und man wendet sich der nächsten, von Stefan Streck erarbeiteten, Komposition mit dem Arbeitstitel »Leipzig« zu.
Für dieses Stück hat er die Spuren für die einzelnen Instrumente digital komponiert und eingespielt. Die Lücke zwischen Midi-File und Partitur hat ein Programm geschlossen, das digitale Klänge in Noten verschriftlicht. Die Ergebnisse liegen den Gewandhausmusiker*innen nun vor und sollen auf ihre Instrumentierung und Spielbarkeit hin getestet werden. Laut Stefan Streck hat dieses Verfahren beim letzten Mal gut funktioniert – und er hofft, dass es auch diesmal »läuft«. Die Musiker*innen sollen dieses Mal anfangen und Stefan Streck will »dazu kommen« – so der Plan. Ganz geht er nicht auf, da die Komposition im 5/4-Takt angelegt ist, was Jennifer Banks unter Lachen zu der Aussage hinreißt, das klassische Musiker*innen 4/4 besser können. Alles andere werde schwierig. Man begibt sich also auf eine gemeinsame Suche nach der eins, mit der jede Taktart beginnt und die somit den Einsatz der Instrumente definiert.
Stefan Streck fragt nach, ob die Musiker*innen hören können, wann sie einsetzen müssen – dies wird verneint. Er kündigt die 1 mit lautem Klatschen an. Doch das erweist sich als wenig praktikabel und Jennifer Banks fragt nach, ob die 1 nicht einfach von Stefan Streck angezeigt werden kann. Ein Dirigent wird benötigt bis Camille Gouton die rettende Erkenntnis ereilt: »die 1 ist dort, wo das Tzzz ist«. Das »Tzzz« als Bestandteil von Stefans Strecks Komposition soll nun für Ordnung sorgen. Die Streicher beginnen mit einem langen Ton. Stefan Strecks Musik setzt ein, der Ton wird aufgelöst und Trompete und Klarinette finden in das Spiel. Stefan Streck würde gern das »nervige« Metronom dazu nehmen, da Gayane Khachatryan mit ihrem Violoncello fehlt. Das kommt zum Einsatz, zählt 5 vor und der nächste Durchlauf beginnt mit dem stehenden Ton der Streicher. Synthesizer-Akkorde kommen dazu, der stehende Ton wird in einer Abfolge schnell hintereinander gespielter Töne aufgelöst und leitet so zu Klarinette und Trompete über.
Stefans Komposition kommt nach einer erneuten »Taktsynchronisation« aller Beteiligten ins Rollen und nach einem vierten, vollständigen Durchlauf gibt es Applaus vom Publikum. Ein sichtlich zufriedener Stefan Streck gibt noch einmal Einblicke in sein Arbeiten, in dem er den digital erzeugten Klang einer Bratsche anspielt und so auf die klanglichen Unterschiede zum analogen Instrument hinweist. Die Musiker*innen des Gewandhausorchesters machen, zum Publikum gewandt, deutlich, dass für die Zusammenarbeit ein Fundament aus Vorzeichen, Takt und Noten wichtig ist. Aus dem Stegreif spielen ist somit ausgeschlossen, ein intuitives, flexibleres Aufeinander reagieren jedoch liegt im Bereich des Machbaren – das zeigt die Probe.
Als nächstes wird Stefan Strecks Komposition »New York«, geprobt. Nachdem die Musiker*innen sich und die Partituren sortiert haben, deutet der erste Durchlauf ein schwebendes melancholisches Stück an, das leider nicht weiter ausgeführt wird. Das Fehlen Gayane Khachatryans Violoncello schafft eine Lücke, die nicht gefüllt werden kann. Ebenso verhält es sich mit dem Stück »Rostock«, weshalb Stefan Streck aus der Not eine Tugend macht und zum zweiten Stück »New York« zurückkehrt.
Die Einsätze sitzen jetzt und das gibt Stefan Streck, der an diesem Abend gleich mehrere Rollen auszufüllen hatte die Gelegenheit, ganz entspannt mit seinen Instrumenten einzusteigen. Was nimmt man mit aus dieser Probe? Die Gewandhausmusiker*innen öffnen sich immer mehr Stefan Strecks Sicht- und Arbeitsweise, Stefan kann Komponist, Bandleader und Dirigent in Personalunion sein – und alles zusammen macht neugierig auf Probe Nummer 3 am 12. März 2019.