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TWO PLAY
TO KNOW

3. öffentliche Probe
12. März 2019 / Gewandhaus, Mendelssohn-Saal


Mit der dritten öffentlichen Probe gewähren Thalia Petrosian und Stefan Streck ein letztes Mal Einblick in ihre Zusammenarbeit, bevor am 28. April die Uraufführung ansteht.

Diese wirft ihre Schatten mehr als voraus. So nutzte Stefan Streck den Tag, um sich mit den baulichen und akustischen Bedingungen der Akustik des Mendelssohn-Saals vertraut zu machen. Auch die Musiker*innen des Gewandhausorchesters haben sich bereits eine Stunde vor Probebeginn im Saal eingefunden. Gemeinsam werden neue musikalische Skizzen und der Ablauf der Probe besprochen.

Die Besetzung ist dieses Mal mit Jennifer Banks (Violine), Camille Gouton (Violine), Edgar Heßke (Klarinette), Gayane Khachatryan (Violoncello), Jonathan Müller (Trompete) und Thalia Petrosian (Viola) komplett. Nach einer kurzen Begrüßung durch einen, wie immer, gut aufgelegten Stefan Streck geht es sofort in das erste zu probende Stück.

Das gemeinsame Werk wird, wie in der zweiten Probe bereits vorgestellt, durch eine Beethoven-Komposition für eine Flötenuhr eingeleitet. Auf diese Einleitung durch die Gewandhausmusiker*innen wird heute Abend jedoch verzichtet. Stefan Streck erläutert, dass man von der ursprünglichen Idee, Elemente aus diesem Stück aufzugreifen und wiederkehrend einfließen zu lassen, abgerückt sei. Stattdessen wird aus dem Abschlussakkord des Stückes, entnommen aus einem YoutTube-Video, der Übergang zur gemeinsamen Arbeit »gebaut«.

Um den Musiker*innen zu verdeutlichen, wie das funktionieren soll, lässt Stefan Streck den Übergang erst einmal »laufen«. Die Gewandhausmusiker*innen hören gespannt hin. Nachdem der letzte Ton verklungen ist, gibt es Fragen zu klären: Das Tempo wird nicht verstanden. Und es wird nicht deutlich, wer wann einsetzen soll.

Das Metronom schafft Abhilfe: Stefan Streck zählt ein und Violinen, Bratsche, Cello, Klarinette und Violoncello, Trompete, Klarinette, Violinen und Viola finden hinein und gemeinsam auch wieder heraus. Ein zweiter Durchlauf folgt, an dessen Ende ein ordentlich gestrickter Beat hinzukommt.

An das Publikum gewandt, erzählt Stefan von der Lockerheit mit der die Musiker*innen bis jetzt alles »aus dem Ärmel geschüttelt« haben und dass er aus diesem Grund anspruchsvollere Elemente in seine Komposition eingebaut hat. Ob diese auf Streich- und Blasinstrumenten spielbar sind, wird im nächsten Stück »Amsterdam« getestet.

Eine Vorstellung davon, wie das Ganze klingen soll, erhalten die Gewandhausmusiker*innen beim ersten Anhören der »Orchesterspur«. Der musikalische Entwurf verklingt und das Publikum wird gefragt, ob es die Taktart erkennt. Tut es nicht – es ist ein 9/4-Takt.

Der erste Durchlauf des Stückes beginnt und Stefan lässt den Musiker*innen einige Takte Vorlauf. Ab Takt 12 werden seine elektronischen Rhythmuselemente von Klarinette und Trompete und Klarinette abgelöst – gefolgt von den Streichern und dem Violoncello. Ein zartes Glockenspiel verbindet die wiederkehrenden Motive der Komposition, die zum Schluss in einen treibenden Beat mündet.

Deutlich wird, dass die aus Noten und Taktart hervorgehende Präzision der Gewandhausmusiker*innen durch deren Improvisationstalent sowie deren Bereitschaft, sich in verschiedene Arbeitsweise hineinzudenken, ermöglicht wird. Wenn Stefan z. B. von einzelnen »Parts« spricht und diese mit »da, wo ihr alle zusammen reinkommt« beschreibt, wissen die Musiker*innen sofort: Gemeint ist Takt 19.

Der Takt ist und bleibt Schwerpunkt der Probe. Stefan Streck muss im Laufe des Abends einen Weg finden, diesen für die Musiker*innen dauerhaft hörbar zu machen. Das »nervig« mitlaufende Metronom ist lediglich eine Hilfe für die Probephase und muss durch Umstellungen der Bassdrum bzw. dem Einbau einer Hi-Hats ersetzt werden.

Camille Gouton (Violine) bemerkt nach zwei weiteren Durchläufen, die helfen sollen den korrekten Einstieg zu finden, dass der größte Unterschied zwischen digitalem und analogem Musikmachen sei, dass bei Ersterem nichts schiefgehen kann und es im Analogen sicher schief geht.

Mittels schnell kreierter Shaker-Rhythmen wird der Takt noch deutlicher herausgearbeitet und der dritte Durchlauf gelingt ganz wunderbar – sowohl im Digitalen als auch Analogen und bekommt verdienten Applaus.

Weiter geht es mit dem aus den ersten beiden Proben vertrauten Stück »New York«. Hier gibt es zwei Änderungen, die darin bestehen, dass für das Violoncello ein zweiter Teil geschrieben wurde und dass die einzelnen Parts der Musiker*innen von Stefan, ähnlich einem Sampler, abgerufen werden.

Der Einsatz erfolgt auf Stefans Zuruf hin – zu klären ist jetzt nur noch, welche Instrumente als Erstes einsetzen. Man einigt sich auf Klarinette und Trompete, die melancholisch flanierend starten und Stefan Streck die Möglichkeit geben mehr und mehr Elemente aus seinem Repertoire hinzuzubauen und mit wechselnden Rhythmen zu verdichten.

Es erfolgt ein zweiter Durchlauf, in dem Stefan die Streicher auf sein Zeichen hin, dazu holt. Für den zweiten Teil des Stückes bittet er Gayane Khachatryan (Violoncello) darum, ihren Bogen wegzulegen und den folgenden Part zu zupfen. Für diese Umstellung muss der entsprechende Platz im Stück gefunden werden. Zudem benötigt Gayane Khachatryan einen entsprechenden Notenschlüssel, auf den dann doch verzichtet wird, da Stefan vorschlägt das sie einfach spielen soll, wie es für sie am angenehmsten ist.

Und so beginnt der zweite Teil des Stückes mit Gayane Khachatryan und dem gezupften Violoncello. Die Streicher setzen ein, Trompete und Klarinette und Trompete folgen. Stefan Streck bringt seine Gitarre mit ins Spiel und das Stück fadet mit einer Gesangsspur aus.

Camille Gouton fragt nach, ob Stefan den Einsatz der Gitarre beibehält oder ob diese im nächsten Durchlauf durch ein anderes Instrument abgelöst wird. Stefan verweist auf die Skizzenhaftigkeit des Stückes und dass er noch am Ausprobieren sei. Für die Uraufführung verspricht er ein fertiges Arrangement inklusive einer Partitur.

Die Frage der Violinistin, ob das »feste Einschreiben von Musik nicht gegen seine Art des Musikmachens sei«, und ob er Probleme damit habe, dass die Gewandhausmusiker*innen eben dieses Festlegen brauchen, antwortet Stefan mit einem Lachen und dem Hinweis darauf, dass das Ganze doch gut aufgeht und sie ja ordentlich »abfeuern« würden. Das gesamte Stück wird noch einmal gemeinsam durchgespielt und liefert mit einem gemeinsamen Abschluss und ordentlichem Applaus den musikalischen Beweis für Stefans Aussage.

Das vorletzte Stück des Abends mit dem Titel »Leipzig« beginnt mit sich ineinander verschachtelten Synthesizerflächen, die den Einstieg für die Streicher liefern. Diese beginnen mit einem stehenden Ton, der etwas »leiern« soll, bis er von dem Grundmotiv -spielenden Cello aufgelöst wird. Gayane Khachatryan fragt Stefan, ob sie das Violoncello pizzicato. spielen – also zupfen statt streichen soll? Die Entscheidung überlässt er ihr und so wird gezupft. Der gemeinsame Takt will auch hier gefunden werden und gegen die Behauptung von Jennifer Banks, können alle im 4/5-Takt spielen.

Zum Ende der Probe kehrt Stefan noch einmal zu dem Stück »Amsterdam« zurück. Der Durchlauf beginnt mit der Trompete, die alle Musiker*innen in ein lebhaftes, pulsierendes Stück hineinführt und aus dem auch punktgenau wieder gemeinsam herausgefunden wird. Dafür gibt es Applaus – und mit einer Einladung zur Uraufführung endet die dritte öffentliche Probe.